Das geplante Selbstbestimmungsgesetz

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist verankert, dass das „Transsexuellengesetz“ (TSG) abgeschafft und ersetzt wird durch ein Selbstbestimmungsgesetz.

Die Eckpunkte des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes umfassen dabei folgende Maßnahmen:

  • Das Transsexuellengesetz wird abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt. Statt in einem mitunter langwierigen und kostenintensiven Gerichtsverfahrenkönnen der Geschlechtseintrag und die Vornamen künftig in einem einfachen Verfahren vor dem Standesamt geändert werden.
  • Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen wird für transgeschlechtliche sowie nichtbinäre und intergeschlechtliche Personen einheitlich geregelt, also nicht mehr wie bisher in zwei verschiedenen Gesetzen mit unterschiedlichen Voraussetzungen.
    Nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen sind in amtlichen  Dokumenten (z.B. Reisepass) grundsätzlich der geänderte Geschlechtseintrag und die geänderten Vornamen aufzunehmen.

    Der Regelungsbereich des neuen Selbstbestimmungsgesetzes umfasst keine Vorfestlegung hinsichtlich etwaiger körperlicher (somatischer) geschlechtsangleichender Maßnahmen.
  • Volljährige Personen können im Sinne einer echten Selbstbestimmung die Änderungihres Geschlechtseintrags und ihrer Vornamen durch Erklärung mit Eigenversicherung veranlassen.
  • Für Minderjährige bis 14 Jahre oder bei Geschäftsunfähigkeit des Minderjährigen geben die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt ab. Ab 14 Jahren geben die Minderjährigen die Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten ab. Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, kann das Familiengericht in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht die Entscheidung der Eltern auf Antrag des Minderjährigen ersetzen.
  • Von zentraler Bedeutung ist eine sachkundige, ergebnisoffene und kostenlose Beratung. Minderjährige und ihre Eltern haben daher die Möglichkeit, sich beraten zu lassen. Diese Beratung werden wir stärken und sicherstellen, dass Eltern und Minderjährige vor der Entscheidung auf sie aktiv hingewiesen werden. Die Beratung umfasst u.a. die Familiensituation oder die persönliche Situation des jungen Menschen, Bedarfe, vorhandene Ressourcen sowie mögliche Hilfen, die Verwaltungsabläufe, mögliche Auswirkungen des Vornamens und Personenstandswechsels, geschlechtliche Entwicklung, Geschlechtsidentität, Umgang mit Varianten der körperlichen Geschlechtsmerkmale, Schutz vor Ausgrenzung und Diskriminierungen sowie Hinweise auf andere Beratungsangebote im Sozialraum. Dabei soll auch auf Beratungsangebote einschlägiger Vereine und Verbände hingewiesen werden.
  • Nach einer erfolgten Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen gilt für eine erneute Änderung grundsätzlich eine Sperrfrist von einem Jahr. Dies dient dem Übereilungsschutz und soll die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches sicherstellen.
  • Die Frage, mit welcher Bezeichnung Eltern nach einer Änderung des Geschlechtseintrags in der Geburtsurkunde ihrer Kinder eingetragen werden, wird mit der Abstammungsrechtsreform geregelt, die ebenfalls in dieser Legislaturperiode vorgesehen ist. Für die Zwischenzeit wird die Bundesregierung für betroffene Personenkreise eine Interimslösung vorlegen, damit verhindert werden kann, dass der die Geburtsurkunde vorlegende transgeschlechtliche Elternteil (z.B. bei Schuleintritt oder Grenzübertritt) zur Erklärung der Urkunde der Transgeschlechtlichkeit offenbaren muss und damit sich selbst, aber insbesondere auch das Kind der Gefahr von Diskriminierungen oder Anfeindungen aussetzt.
  • Die Änderung eines geschlechtsspezifischen Familiennamens wird mit der Namensrechtsreform geregelt, die nach dem Koalitionsvertrag ebenfalls in dieser Legislaturperiode erfolgen wird.
  • Das Gesetz wird ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot enthalten.
  • Ergänzend zu den neuen Regelungen werden Anerkennungsleistungen für trans und intergeschlechtliche Personen, die aufgrund früherer Gesetzgebung von Körperverletzungen oder Zwangsscheidungen betroffen sind, geregelt.
  • Es wird weiterhin darauf geachtet werden, dass Schutzbereiche für vulnerable und von Gewalt betroffene Personen nicht missbräuchlich in Anspruch genommen werden. Gewalttätige Personen gleich welchen Geschlechts haben z.B. wie bisher keinen Zugang zu Frauenhäusern. Zugangsrechte zu Frauenhäusern richten sich weiterhin nach dem jeweiligen Satzungszweck der privatrechtlich organisierten Vereine.
  • Entscheidungen zur Frage der Teilnahme z.B. von transgeschlechtlichen Sportler:innen trifft der autonom organisierte Sport in eigener Zuständigkeit.

Verbot von Konversions“therapien“

Verbot der Zwangsheterosexualisierung von LST*

Anfang Mai 2020 hat der Bundestag ein Verbot von Konversions“therapien“ von Lesben, Schwulen und Trans* verboten. Das Ziel von Konversions“therapien“ ist, die von der Heteronorm abweichende sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität zu „korrigieren“, d.h. die Menschen zu heterosexualisieren. Vermeintliche Therapeuten, die diese „Behandlung“ anbieten, orientieren sich häufig an einem streng religiösen Menschenbild, so interpretieren Vertreter*innen der Evangelikalen die Bibel dahingehend, dass Gott sexuelle Orientierungen jenseits der Heterosexualität als Sünde verurteilt. Die Behandlung ist folglich eher religiös motiviert und dient keinesfalls der psychischen Gesundheit der ratsuchenden Menschen.

Das Gesetz zum Verbot von Konversions“therapien“ wurde mit den Stimmen der CDU, SPD und der FDP verabschiedet, die anderen Fraktionen enthielten sich. Eine Gegenstimme gab es von der AFD.

Nunmehr sind derartige korrigierende Behandlungen bis zum Alter von 18 Jahren  verboten. Strafen drohen aber auch, wenn die Betroffenen zwar volljährig sind, aber durch Zwang, Drohung oder Täuschung zu einer derartigen „Umpolungs“-Maßnahme bewegt wurden.Bei Missachtung des Verbots droht eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr. Darüber hinaus ist in Zukunft auch die Werbung für „Konversionstherapien“ untersagt. Hier droht eine Geldbuße in Höhe von bis zu 30.000 Euro.

Problematisch ist allerdings, dass in dem verabschiedeten Gesetzentwurf Konversions“therapien“ für Erwachsene nicht vollständig verboten sind.  Die Grünen forderten daher ein Verbot auch für Therapien bei Erwachsenen und deswegen eine Heraufsetzung der Altersgrenze auf 26 Jahre – und haben sich letztlich der Stimme enthalten. Auch von der SPD gab es kritische Äußerungen, so sagte die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis in der Debatte, sie hätte sich eine höhere Altersgrenze gewünscht.

Seit Jahren warnen Verbände der Ärzte, Psychiater und Psychotherapeuten vor solchen Behandlungen. Die Weltgesundheitsorganisation hatte bereits 1990 Homosexualität und 2019 auch Transsexualität von der Liste der psychischen Krankheiten gestrichen. Der Weltärztebund bezeichnete 2013 Konversionstherapien als Menschenrechtsverletzungen. Ein Jahr später warnte der Deutsche Ärztetag vor den gesundheitlichen Folgen einer solchen Therapie.

Konversionstherapienverbot_ DS19_17278

Diskriminierung lesbischer Paare durch das geplante Adoptionshilfe-Gesetz

Im Juni 2020 hat der Bundestag das „Adoptionshilfe-Gesetz“  1916718-1 verabschiedet, das zum Ziel hat, zum einen das Adoptionsverfahren zu vereinfachen und zum anderen das Kindeswohl zu sichern. „Zu diesem Zweck sollen für alle an einer Adoption Beteiligten ein Rechtsanspruch auf nachgehende Begleitung und eine verpflichtende Beratung vor Abgabe der notariellen Beurkundungen bei Stiefkindadoptionen eingeführt werden“.

Die verpflichtende Beratung gilt auch für Partner*innen, die gemeinsam ein Kind austragen, d.h. die nicht-leibliche Mutter ist nunmehr verpflichtet, sich beraten zu lassen, bevor sie ihr Kind adoptieren kann. Der Umstand, das gemeinsame Kind adoptieren zu müssen, stellt bereits eine Diskriminierung dar. Dass die nicht-leibliche Mutter nunmehr sogar verpflichtet ist, eine Beratung vor notarieller Beurkundung in Anspruch zu nehmen, stellt eine Verschärfung der Diskriminierung dar. 

Da der Gesetzentwurf noch den Bunderat passieren muss, fordert der Verein Broken Rainbow die Hessische Landesregierung auf, sich im Bundesrat gegen den Entwurf zu stellen und den Vermittlungsausschuss anzurufen.

 

 

Entscheidung des BVerfG zur Begutachtung nach dem TSG

Klage mangels Rechtssicherheit abgewiesen

Das BVerfG hat die Klage von Nicole Faerber, einer Trans*Aktivistin, auf Abschaffung der Begutachtung nach dem TSG abgewiesen. Das wird damit begründet, dass das Gesetz zwar missbraucht werden könne, aber dies an der Sinnhaftigkeit des Gesetzes nichts ändere, und dass die Begutachtung zwar  grenzverletzend sein könne, aber da die Klägerin aus diesen Gründen sich nicht habe begutachten lassen, auch kein Rechtsschutz vorliege, der hätte in Anspruch genommen werden können. Dieser Zirkelschluss ist hahnebüchend. Die weitere Begründung des Senats verfestigt die Notwendigkeit der Begutachtung, da die betroffenen Personen unter enormen psychischen Stress stünden und daher der „Geschlechtswechsel“ begleitet werden müsse.

Dass der Stress eben auch mit der erzwungenen Begutachtung zusammenhängen könnte, blendet der Senat aus. Im Senat saß auch Prof. Susanne Baer, eine bekannte lesbische Feministin. Das hätte man eine reflektiertere Begründung erwarten können. Aber auch das ist leider ein hahenbüchender Zirkelschluss.

Hier die Entscheidung im Wortlaut BVerfG_Begutachtung nach TSG_2017

OLG Hamm sieht Begutachtung nach dem TSG als rechtens an

Gemäß einer Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. April 2017 gibt es ohne Gutachten keine rechtswirksame Änderung des Geschlechts

In dem Gerichtsverfahren hat das OLG Hamm eine erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund bestätigt. Eine Trans*frau wollte rechtsverbindlich einen weiblichen Vornamen führen und auch ihren Personenstand gemäß dem TSG ändern. Sie lehnte jedoch gegen die Fremdbegutachtung durch Sachverständige ab und hält diese Regelung für verfassungswidrig und nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.

Laut OLG Hamm habe der Gesetzgeber die Begutachtung als zwingende Voraussetzung normiert. Die Gutachten könnten nicht durch eine Selbsteinschätzung ersetzt weden. Ziel der Begutachtung sei, festzustellen, ob die antragstellende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft dem Zielgeschlecht zugehörig sein werde und ob die Person seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehe, in ihrem Zielgeschlecht zu leben. Das OLG Hamm 051-17-Transsexuellengesetz  sieht es als bedeutsam an, „ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit möglichst zu vermeiden und eine Änderung des Personenstandes nur dann zuzulassen, wenn dafür tragfähige Gründe vorlägen […]“.

Unser Kommentar:

Wir teilen das Unverständnis von Michel Foucault, der bereits 1998 seiner Irritation über die „Beharrlichkeit, die an Starrsinn grenzt“ der westlichen Welt an einem binären Geschlechtsmodell festzuhalten, Ausdruck verlieh. Was einen Mann oder eine Frau ausmacht, ob zwei oder eine Vielzahl von Geschlechtern anerkannt werden, inwiefern Körper, soziale Rolle und sexuelle Orientierung als konstitutiv für die Definition von Geschlecht herangezogen werden, ist vor allem kulturell bedingt und unterliegt daher auch einem steten Wandel. Eigentlich. Die Rechtsprechung sollte diesem Umstand Rechnung tragen und das oftmals als demütigend und menschenunwürdige Verfahren der Fremdbegutachtung abschaffen. Es ist ein grundlegendes Recht, selbst zu bestimmen, wer man/frau ist. Eine Zuschreibung durch Andere ist immer fraglich – und zudem eben auch fehlerhaft. Daher ist eine Überarbeitung des TSG zwingend und dringend erforderlich. 

LSBTI Geflüchtete

Resettlement ist das Mittel der Wahl, wenn sowohl der Verbleib im Zufluchtsland als auch die Rückkehr in den Heimatstaat nicht möglich sind. Eine dauerhafte Perspektive im Zufluchtsland ist unter anderem dann nicht gegeben, wenn Flüchtlinge der Verfolgung, aufgrund derer sie ihrem Heimatstaat entflohen sind, auch in ihrem Zufluchtsland begegnen. Bei lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Flüchtlingen kann dies in besonderem Maße der Fall sein.“

Weiter: 18_4094_25.02.2015